Dienstag, 14. November 2017

Für über ein Drittel ungeeignet.

aus Die Presse, Wien,

Umfrage: Jeder dritte Schüler überfordert oder unterfordert 
Nur für knapp zwei Drittel der Schüler passt das Niveau des Unterrichts. Schülervertreter fordern, dass Selbstständigkeit und Auftreten mehr gefördert werden – und orten Handlungsbedarf bei der Deutschförderung. 

 

Wien. Während die einen nur mühsam zurecht kommen, langweilen sich die anderen: Für mehr als ein Drittel der Schüler an heimischen Schulen passt der Schwierigkeitsgrad des Unterricht nicht. Das zeigt eine Online-Umfrage der Schülerunion mit über 12.000 Befragten, die der „Presse“ exklusiv vorliegt.

Nur knapp zwei Drittel der Schüler – die meisten der Befragten besuchen eine AHS-Oberstufe oder eine BMHS – geben demnach an, dass das Niveau des Unterrichts für sie „super passt“. 22 Prozent sind dagegen überfordert – in den berufsbildenden Schulen sind es etwas mehr; in Wiener BMHS fühlen sich sogar 27 Prozent der Schüler überfordert. 13 Prozent der Befragten aller Schulen sind unterfordert – das wiederum gilt vermehrt für Schüler an Gymnasien.
 

„So kann es nicht weitergehen, wenn ein Drittel der Schüler sagt, dass der Unterricht sie nicht nach ihren Bedürfnissen fordert und fördert. Wenn man das auf alle Schüler hochrechnet, geht es um rund 385.000 Schüler“, sagt Bundesschulsprecher Harald Zierfuß, der von der ÖVP-nahen Schülerunion gestellt wird. Er fordert, dass Schulen, wenn es ihnen notwendig erscheint, eine äußere Leistungsdifferenzierung, etwa in Art von Leistungsgruppen, einführen dürfen.


AHS: Allgmeinbildende höhere Schule
BMS: Berufsbildenden Höhere Schule

Auch mit den Inhalten sind die befragten Schüler nicht ganz zufrieden: Jene Kompetenzen, die sie als „am Wichtigsten fürs Leben“ einschätzen – Selbstständigkeit, überzeugendes Auftreten, Zeitmanagement und Organisation – würden im Unterricht nur teilweise vermittelt: Die befragten Schüler geben auf einer fünfteiligen Skala die Note zwei bis 2,5. An den BMHS sind sie zufriedener als an den Gymnasien.

„Da hängt viel von der Unterrichtsgestaltung ab, etwa mit Projektarbeit“, sagt Zierfuß. Projekte rangieren mit offenem Arbeiten bei den Schülern auch ganz vorne, was die beliebteste Unterrichtsform angeht. Frontalunterricht wird dabei nur vereinzelt genannt. Gleichzeitig geben die Schüler aber an, dass dieser knapp 70 Prozent ihres Unterrichts ausmacht.

Kaum Top-Noten für Lehrer

Bei der Lehrerausbildung ortet die Schülerunion ebenfalls Verbesserungspotenzial. Die meisten der befragten Schüler sind mit ihren Lehrern leidlich zufrieden – drei Viertel halten sie zumindest für eher gut ausgebildet, ein Viertel findet das kaum oder gar nicht. Dass die Lehrer pädagogisch und didaktisch absolut fit seien, meint allerdings nicht einmal jeder fünfte Schüler – wobei jene an den berufsbildenden Schulen eher Top-Noten geben als die Schüler an den Gymnasien. „Das heißt nicht, dass die Lehrer schlecht sind – aber es gibt unserer Meinung nach einiges zu tun, was Ausbildung oder Weiterbildung angeht“, sagt Zierfuß.

Nur zwölf Prozent der befragten Schüler orten keinen Handlungsbedarf, wenn es um Schüler mit Sprachbarrieren geht. Mehr als die Hälfte ist der Meinung, dass hier mehr passieren muss; in Wien – wo für fast ein Drittel der Schüler Deutsch nicht die Erstsprache ist – noch mehr als im Schnitt. Für gute Lösungen halten mehr als 50 Prozent der befragten Schüler Sprachintensivkurse vor und während des Regelunterrichts, außerdem Buddysysteme und mehr Personal.


Nota. -  Hier wurde wohlbemerkt die Selbsteinschätzung der Schüler erfragt. Die einen mussten sagen: Das ist zu schwer für mich. Die andern mussten sagen: Ich hätte es lieber anstrengender. Im Zweifel konnten sie sich aber um die Antwort drücken.
JE



Donnerstag, 2. November 2017

Bayern, ein Bollwerk gegen die pädagogische Reaktion.

Ganztageschule
aus Süddeutsche.de,Essen in der Mensa und danach wieder Unterricht - in Bayern ist das die Ausnahme.
 
Bayern ist Schlusslicht bei Ganztagsschule


  • In keinem Bundesland gibt es weniger Kinder in Ganztagsklassen als in Bayern.
  • Die Staatsregierung hat bereits vor vier Jahren geplant, dass bis 2018 jedes Kind bis 14 Jahre einen Ganztagssplatz bekommen soll.
  • Die SPD fordert ein Umdenken und neue Ansätze, um den Ausbau voranzutreiben, außerdem will sie einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz.

  • Von Anna Günther
     
    Geht es um den Ganztagsunterricht, belegt Bayern meist hintere Plätze in den Ranglisten der Bildungsforscher. Zuletzt präsentierte die Bertelsmann-Stiftung ihr Gutachten: Bayern ist mit 16 Prozent der Kinder in Ganztagsklassen letztes unter den Bundesländern. Das Kultusministerium kontert stets mit dem vielfältigen Angebot im Freistaat und dem Ausbau nach Bedarf. Nun aber zeigen die blanken Zahlen, was Rankings lange andeuteten:

    Nur 2813 Schüler an den 322 staatlichen Gymnasien besuchten im vergangenen Schuljahr den gebundenen Ganztag, das sind 1,4 Prozent. Zum aktuellen Schuljahr kamen zwei Schulen mit gebundenem Ganztag dazu. Bei den 238 Realschulen sind es sogar nur 1,3 Prozent, also 2150 Mädchen und Buben. Die Mittelschulen kommen auf 18,2 Prozent der Schüler, Grundschulen auf 6,4 Prozent. Dies gab das Kultusministerium nun auf eine Anfrage der Landtags-SPD bekannt.
     

    Die Fraktion fordert ein Umdenken und neue Ansätze, um in Bayern den Ausbau des echten Ganztagsunterrichts voranzutreiben. Darunter verstehen der bildungspolitische Sprecher Martin Güll und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Simone Strohmayr den gebundenen Ganztag, also Unterricht von acht bis 16 Uhr. In dieser Zeit wechseln sich Stoff wie Mathe, Biologie und Deutsch mit entspannteren Phasen wie Sport oder Freiarbeit ab.

    Wenn die Kinder heimgehen, sollten alle Hausaufgaben erledigt sein. Beim Blick auf die Zahlen fällt auf, dass viele Landkreise und kreisfreie Städte gar keine Ganztagsklassen anbieten. In der Oberpfalz besuchen 0,5 Prozent der Gymnasiasten eine Ganztagsklasse, in Oberbayern sind es 0,9 Prozent.


    Spitzenreiter ist Unterfranken mit 2,7 Prozent. Außerdem gibt es an staatlichen Gymnasien meist nur bis zur 7. oder 8. Klasse Ganztagsunterricht, an Realschulen in der Regel nur bis zur 6. Klasse.

    Und nun halten Sie sich fest, nachem alle andern Rechtfertigungen der Zwangstagsschule widerlegt sind, fällt den Unentwegten die... na was wohl? Richtig: die Hirnforschung ein!
     
    "Das System Halbtagsschule funktioniert aber nicht mehr", sagt Güll. Das zeigten Erkenntnisse der Hirn- forschung: Das Gehirn könne Gelerntes besser verarbeiten, wenn sich Kinder zwischenzeitlich bewegten. Für viele sei es unmöglich, sich sechs Stunden lang zu konzentrieren.

    Der gesunde Menschenverstand sprendet Beifall: Genau! Sechs Stunden sind zuviel, und die Pausen sind viel zu kurz. Doch ein solcher waltet nicht bei den Experten, sie stellen's auf den Kopf: Wir verlängern, statt zu verkürzen!

    Dass Sozialdemokraten und Bertelsmannstiftung aber vorgeschlagen hätten, die Schule nach Kaffeepause und Abendbrot bis in den Abend auszudehnen und nach dem Nachtschlaf dann mit dem Frühsport morgens um sieben geleich weiterzumachen, ist aber ein Gerücht, das mir die Redaktion auf Anfrage nicht bestätigen wollte.

    Als die Bertelsmann-Studie öffentlich wurde und das Kultusministerium wie üblich reagierte, reichte die CSU-Landtagsfraktion einen Antrag für eine familiengerechtere Arbeitswelt ein. Inbegriffen ist darin, dass man sich bei den Kommunen für bessere Betreuung in den Randzeiten einsetzen werde. Kurz darauf lehnte die CSU den SPD-Antrag für besseren Ganztag im neuen G 9 ab.

    Wenn alle andern in Deutschland den Irrsinn mit System betreiben, ist auf die alte bairische Liberalität gottlob noch immer Verlass.
    JE